• 1

Vereinsleben im Turnverein Gut-Heil
(aus Versammlungsprotokollen 1911 – 1939)
Der in 1904 gegründete Turnverein verfolgte nach der Satzung vom 01.07.1905 den Betrieb und die Förderung der Deutschen Turnkunst, um durch körperliche und geistige Ausbildung der Mitglieder eine sittliche, mannhafte und vaterländische Gesinnung zu wecken und zu befestigen. Das sollte erreicht werden durch regelmäßiges Betreiben von Turnen, Turn­festen, Turnfahrten, Turnspielen und geselligen Zusammenkünften.
Mitgliedschaft:
Es konnten nur unbescholtene Personen Mitglied werden, die einen ehrenhaften Lebens­wandel führten. Es gab 4 Kategorien:
1. Turner: über 17 Jahre alt
2. Turnfreunde: inaktive, Eintritt nach dem 25. Lebensjahr
3. Ehrenmitglieder: bei besonderen Verdiensten
4. Zöglinge: 14 – 17 Jahre alt.
Die Aufnahme erfolgte zunächst durch Vorstandsbeschluss, später durch Abstimmung in einer Monatsversammlung. Es musste ein Eintrittsgeld von 1 Mark bezahlt werden. Über die Zahl der Mitglieder ist wenig bekannt. Bei den Generalversammlungen 1911 und 1912 waren weniger als 20 Wahlberechtigte anwesend, 1919 waren es 31, 1920 sogar 43. Eine Mit­gliederliste von ca. 1925 führt 39 aktive und 12 inaktive Mitglieder auf, eine Liste von 1939 weist 33 Aktive aus.
Turnstunden:
Zweimal wöchentlich fanden Turnstunden statt (abends), die Teilnahme war für Turner und Zöglinge Pflicht, bei unentschuldigtem Fehlen mussten Geldstrafen gezahlt werden. Die Leitung hatte der Turnwart, dessen Anordnungen befolgt werden mussten, wollte man nicht einen Ausschluss riskieren. Trotz der Verpflichtung wurde immer wieder Klage geführt über die oft schlechte Beteiligung der Turner, die auch die Verschärfung von Geldstrafen und Ausschlussbestimmungen nicht nachhaltig verbessern konnten.
Das Turnen fand im „Saal Ruster" statt (heute steht dort die Dorfgemeinschaftshalle), 1935 zog man nach Streitigkeiten mit dem Wirt in den „Saal Kloft" um (spätere Gaststätte „Blauer Bock" bzw. „Köppelstube").
Musikstunden:
Der Verein unterhielt ein Trommler- und Pfeifenkorps („Knüppelmusik"), das im Jahr 1922 wieder zusammengestellt und im Jahr 1932 neu belebt wurde, weiteres ist nicht bekannt. Auch die Teilnahme an den Proben, die im Freien stattfanden, war für die Musiker Pflicht.
Versammlungen:
Einmal im Monat fand eine Mitgliederversammlung statt, zunächst an einem Samstag um 21:30 Uhr oder 22:00 Uhr, ab 1918 um 20:00 Uhr oder 20:30 Uhr. Die Mitglieder­versammlung im Oktober, ab 1926 im Januar war die Generalversammlung, die den Vor­stand neu wählte. Diese wurde ab 1929 sonntags um 13:00 Uhr begonnen. Die Teilnahme an allen Versammlungen war für Turner Pflicht, bei Versäumen wurden Geldstrafen fällig.
Finanzen:
Der Verein bestritt seine Aufwendungen in der Hauptsache aus Beiträgen und Einnahmen aus besonderen Veranstaltungen. Die Beiträge betrugen 0,20 Mark monatlich und blieben ziemlich gleich bis 1935 (0,25 Mark), Zöglinge zahlten ab 1913 0,10 Mark, ab 1933 0,15 Mark. In den Inflationsjahren 1920 bis 1924 stieg der Beitrag stark an, im Juli 1923 belief er sich auf 1.000 Mark. Weil man dem schnellen Anstieg nicht mehr nachkommen konnte, wurde dann der künftige Monatsbeitrag auf den „Preis für 1 Zigarette am Tag der Beitrags­zahlung" festgesetzt. Im Januar 1924 betrug der Beitrag 30 Milliarden Mark.
Noch zwei Beispiele aus dieser Zeit: Im September 1923 wurden aus einem Konzert beim Abturnen 548 Millionen Mark erzielt und im Dezember 1923 erhielt der Vereinswirt einen Stromkostenanteil von 1,75 Billionen Mark.
Das auf dem Sportplatz wachsende Gras wurde für 4,50 Mark pro Jahr an einen Interessenten zum Mähen vergeben.
Die Erlöse aus Theateraufführungen, Tanzveranstaltungen und dem Familienabend dienten auch zur Aufbesserung der Vereinskasse.
Theater:
1913, 1918 und 1920 bis 1933 regelmäßig wurden Theateraufführungen durchgeführt, die entweder im Advent oder in der Fastenzeit stattfanden. Hier wirkten auch Nichtmitglieder mit, in der Hauptsache Frauen und Mädchen, da der Verein keine weiblichen Mitglieder kannte. Diese durften zur Belohnung bei Fahrten zu Turnfesten „umsonst" mitfahren. 1925 wurde eine eigene Bühne angeschafft, die auch verliehen wurde, z. B. an den Männergesang­verein, der auch Theater spielte.
Maskenbälle:
Erstmals erwähnt 1914, fanden sie von 1927 an jährlich statt, meist am Sonntag vor Fast­nacht. Der Verein kassierte den Eintritt und die Einnahmen aus dem Verkauf der Tanz­bänder.
Familienabend:
Ein Familienabend wird erstmals im Oktober 1918 aus Anlass der Heimkehr eines Turners aus der Kriegsgefangenschaft erwähnt. Seit 1925 fand er jedes Jahr am Fastnachtssonntag statt, dabei wurden kurze Theaterstücke und Turnvorführungen geboten. Ab 1939 sollte stattdessen eine Werbeveranstaltung durchgeführt werden, dazu ist es aber nicht mehr ge­kommen.
Turnerball:
1912, dann ab 1920 fand jährlich ein Turnerball an Ostermontag statt. Dabei wurden meist auch turnerische Übungen vorgeführt.
Abturnen:
Seit 1922 wurde jährlich Anfang Oktober ein „Herbstabturnen" durchgeführt. Zunächst wurde im Saal ein turnerischer Wettkampf absolviert, danach wurde zum Sportplatz marschiert zu leichtathletischen Übungen. Zum Abschluss traf man sich zur Tanzmusik im Saal Ruster bzw. Kloft.
Turnfeste u. ä.:
Die jährlich stattfindenden Bezirks- und Gauturnfeste, die Sportfeste und Waldlauf­veranstaltungen in der Umgebung wurden fleißig besucht, in den Jahren 1925 bis 1932 auch häufig mit sportlichen Erfolgen. Der Weg dorthin wurde zu Fuß bewältigt, zu den Bezirks- und Gauturnfesten fuhr man manchmal mit einem geschmückten Leiterwagen. Zum Bezirks­sportfest 1929 wurde erstmals ein Auto gemietet (Kosten: 30 Mark).
Bezirksturnfest 1930:
Ein Höhepunkt im Vereinsleben war die Ausrichtung des Bezirksturnfestes im August 1930. Der Verein hatte sich schon 1925 beworben, dann aber wegen unzureichender Kassenlage wieder zurückgezogen, erhielt dann aber in 1929 den Zuschlag. Im Dezember 1929 wurde ein Festausschuss gebildet, im März 1930 begann man mit der Herrichtung des Sport­platzes, u. a. wurde eine Rundlaufbahn aufgebracht, wozu „Schlacken" mit Kuhfuhrwerken herbeigeschafft werden mussten, fehlende Geräte wurden in Wirges geliehen. Das Fest er­streckte sich über zwei Tage: Samstagabend Kommers, sonntags sportliche Wettkämpfe auf dem Sportplatz, nachmittags ein großer Festzug mit allen Beteiligten, und anschließend Tanz. Der Verein erhielt für die Herrichtung des Sportplatzes einen Zuschuss vom Kreis, den er sich aber mit der DJK Elgendorf, die damals Fußball spielte, teilen musste.
Andere örtliche Veranstaltungen:
Der Verein nahm auch an anderen Veranstaltungen im Ort teil.
Bekannt sind:
Fest des Mandolinenklubs „Immer heiter" am 07.05.1925,
Fest des Männergesangvereins am 24.07.1926,
Einweihung des Kriegerehrenmals im Oktober 1927,
Fest des Mandolinenklubs am 29.07.1928.
Ehrung der Gefallenen:
Im Frühjahr 1919 wurde im Kreisblatt ein Nachruf für die im ersten Weltkrieg gefallenen Turner veröffentlicht. Im Februar 1921 wurde eine Gedächtnistafel eingeweiht, Ausstattung und Unterhaltung von Blumenschmuck übernahm ein Mitglied freiwillig.
Vereinsfahne:
Bereits im Oktober 1911 wurde die Anschaffung einer Vereinsfahne beschlossen, konnte aber erst im Februar 1914 verwirklicht werden. Der erste Vorsitzende und der Kassierer wurden zum Kauf beauftragt, erhielten 10 Mark zur Anzahlung und erwarben eine Fahne. Die Restschuld sollte, wenn der Verein zahlungsunfähig werden sollte, aus dem Verkauf von Vereinsvermögen getilgt werden (der Preis ist nicht bekannt).
Die Fahne wurde mitgeführt bei eigenen Veranstaltungen, Turnfesten, Festzügen anderer Vereine und bei Beerdigungen von Vereinsmitgliedern (in den 50er-Jahren auch bei der Fronleichnamsprozession). Der Fahnenträger (Fähnrich) und zwei Begleiter wurden von der Generalversammlung gewählt. Der erste Fahnenträger wurde am 30.05.1914 gewählt und hieß Richard Nöller. Zum letzten Mal wurden Fahnenträger gewählt im Jahr 1957: Manfred Lorenz, Manfred Schmidt und Arnold Ruster. Die Fahne wurde im Jahr 2003 restauriert.
1933 bis 1939:
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden alle Vereine gleich­geschaltet. Zu diesem Zweck fand am 25.05.1933 eine Vollversammlung statt. Der erste Vorsitzende heißt jetzt „Vereinsführer", er wird von der Generalversammlung gewählt, muss aber von der Leitung des Turngaues bestätigt werden. Er ernennt seine Mitarbeiter (=bisheriger Vorstand), die den „Turnrat" bilden. Die Verpflichtung zur Teilnahme an den Turnstunden wird verstärkt, die Folgen für Versäumnisse werden strenger: einmaliges Fehlen bedeutet 1 Jahr Sperre, bei zweimaligem Fehlen erfolgt Ausschluss. Die Turner werden gebeten, einer der NS-Organisationen beizutreten, die Teilnahme z. B. an den Mai­feiern 1934 wird angeordnet. Ab Januar 1938 werden die Turner unter 18 Jahren zusammen mit der HJ geschult. Die Folge dieses immer stärker werdenden Druckes war offenbar, dass die meisten älteren Turner sich nicht mehr am Vereinsleben beteiligten, wie beklagt wurde, und dass die Bereitschaft, Aufgaben im Verein zu übernehmen, stark absank. So legte der Vorsitzende im Oktober 1936 sein Amt nieder, weil er „die ganze Vereinsarbeit allein machen müsse", machte aber doch weiter, weil sich keine andere Lösung fand. Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges im September 1939 kam das Vereinsleben praktisch zum Erliegen, da die meisten Turner zur Wehrmacht eingezogen wurden. Es gab noch bis etwa 1943 geringe Aktivitäten.
Der VfR Elgendorf
Am 23.01.1946 gründeten 20 Personen den VfR Elgendorf. Bereits am 25.01. wurde eine Vereinserklärung an die französische Militärregierung eingereicht mit einer Spielerliste und einer Aufstellung der Vorstandsmitglieder, beigefügt Fragebögen mit Angaben über eine evtl. Zugehörigkeit zu NS-Organisationen. Eine Wiederaufnahme des alten Turnvereins war nicht möglich, weil das Turnen von der Militärregierung verboten war. Am 12.03.1946 wurde die vorläufige Genehmigung zum Fußballspielen erteilt. In dieser Zeit musste für alles eine Genehmigung eingeholt werden: so z. B. für Tanzveranstaltungen am 29.09. und 10.11. im Saal Ruster und die Generalversammlung am 26.10. im Lokal Decker. In den Spielzeiten 1946/47, 1947/48 und 1948/49 nahmen eine erste und eine Jugendmannschaft am Spiel­betrieb teil. Die Fahrten zu Auswärtsspielen wurden teilweise mit einem LKW ausgeführt, wozu eine Sonntagsfahrgenehmigung erforderlich war. Der Verein hatte bis zu 71 Mitglieder (Liste vom 14.12.1947), bei der Jahreshauptversammlung am 07.01.1949 waren 47 von 55 Vereinsangehörigen anwesend. Am 02.06.1948 erhielt der Verein die endgültige Ge­nehmigung durch die Militärregierung. Die Tradition der Theateraufführungen wurde mit Ver­anstaltungen im März 1948 und Januar 1949 fortgesetzt, auch eine Fastnachtsveranstaltung fand im Februar 1949 statt. Im Frühjahr und Sommer 1947 wurde der Sportplatz instand ge­setzt: Verlängerung um 9 m, Einbau einer Drainage, Planierung. Die Arbeiten wurden von einer auswärtigen Firma ausgeführt. Die Gemeinde Elgendorf stellte dafür ein Darlehen von 1.000 Mark zur Verfügung. Ende 1949 führten finanzielle Probleme zur Einstellung des Spielbetriebs.